Der vergangene Spieltag in der Landesklasse Ost hatte etwas von einem (Welt-)meisterschaftsfinale. Man mag nun der Meinung sein, dass die Prädikate „Landesklasse“ und „Weltmeisterschaft“ doch weit auseinanderklaffen. Richtig. Das bestätigt auch schon die naheliegende Assoziation mit dem diesjährigen Sommermärchen, bei dem die besten deutschen Fußballer in Rio den Weltmeistertitel errungen haben. Und Tröbnitz ist nun mal nicht Rio. Aber, und jetzt komme ich zum Kern meines sportlichen Vergleiches, gibt es verschiedene, subtile Merkmale, mit denen zwischen beiden Ereignissen – dem in Rio und dem in Tröbnitz – eine verblüffende Ähnlichkeit nachgewiesen werden kann. Folgende Merkmale des WM-Finales sollte man zu Vergleichszwecken hervorheben und beim Lesen des Spielberichts im Hinterkopf behalten:

  1. Die vermeintlich besten Spieler einer Klasse treten gegeneinander an.
  2. Das Interesse an dieser Partie ist überwältigend.
  3. Die Stimmung am Spielort ist Ohren betäubend.
  4. Ausfälle von wichtigen Stützen einer Mannschaft können möglicherweise spielentscheidend sein.
  5. Ein Spieler mit einer Platzwunde unterm Auge spielt trotzdem tapfer bis zum Ende weiter.
  6. Eine Spielunterbrechung aufgrund eines Aufmerksamkeit heischenden Flitzers.

Nun ist es meine Aufgabe als wahrheitsgetreuer Spielberichterstatter nachzuweisen, dass all diese Kriterien auch auf den Spieltag am vergangenen Samstag in der Turnhalle der Tröbnitzer Grundschule zutrafen.

Im ersten Spiel des Tages stand die breit aufgestellte Mannschaft des SV Tröbnitz 1923 einer auf Mindestanzahl dezimierten Mannschaft vom PSV Zeulenroda gegenüber. Ohne der Mannschaft auf Ostthüringen zu nahetreten zu wollen, kann man dennoch von einem leichten Aufgalopp der Heimmannschaft vor dem unmittelbar nachfolgenden Spitzenspiel gegen den VCJ sprechen, die phasenweise mit ihren Gegnern machen konnten, was sie wollten. Auch wenn das Ergebnis eine eindeutige Angelegenheit war, darf man nicht ignorieren, dass die Zeulenrodaer Spieler trotz spielerischer Unterlegenheit nie aufgegeben haben. Nach einer unglücklichen Aktion am Netz und einem unbeabsichtigten Schlag seines Mitspielers musste ein Akteur aus Zeulenroda in einer ausgedehnten Verletzungsunterbrechung behandelt werden. Doch nachdem die blutende Platzwunde unter seinem Auge behelfsmäßig versorgt war, spielte er im Bewusstsein seiner Verantwortung für die Mannschaft, wie im Sommer Schweinsteiger, unbeirrt weiter – auch wenn der Spielausgang hier ein anderer war und den aufopferungsvollen Einsatz ergebnistheoretisch nicht würdigte. Mit dieser Parallele zu den Ereignissen im Maracana am 14. Juli 2014 war die Einstimmung auf das Spitzenspiel der Landesklasse Ost – metaphorisch – mit einem Steilpass vorgelegt.

SV Tröbnitz 1923 vs. VC Jena – 3 : 2 (23:25, 25:14, 25:18, 19:25, 15:7)

Jeder Platz im Sporttempel war eng besetzt und selbst die Stehplätze waren wahrscheinlich begehrter als VIP-Karten des FCC, der am gleichen Tag gegen Neustrelitz in der Regionalliga ein 2:2 Unentschieden erspielte. Getragen von der lautstarken Unterstützung der jeweiligen Anhängerschaft trieben sich die Mannschaften zu Höchstleistungen und schenkten sich nichts. Die logische Konsequenz einer umkämpften Partie ist eine spielentscheidende Verlängerung, in der die an diesem Tag bessere Mannschaft gewonnen hat, was auch die interessierte Presse notiert und fotografiert hat. Ja lieber Leser, ich spreche nicht vom WM-Finale im Fußball, sondern vom dem erwarteten Spitzenspiel der Landesklasse, welches alles gehalten hat, was es im Vorhinein versprach. Der VCJ musste wiedermal einige verletzungs-, krankheits- und urlaubsbedingte Ausfälle kompensieren, sodass fünf wichtige Spieler – Bust, Giesecke, Heinze, Höpfner und Kretzschmar – und die gerade in solchen Spielen positiv einwirkende Mannschaftsbetreuerin Greuel fehlten. Dennoch startete der VCJ in der recht beengten Halle – die breiteste Stelle an der Seite zwischen Spielfeld und Hallenwand betrug lediglich 54 cm – furios. Im Kontrast zum vorhergegangenen Spiel fanden die blitzschnell vorgetragenen Angriffe der Tröbnitzer kaum ein Durchkommen. Mit starker Blockarbeit – die an diesem Tag buchstäblich Arbeit war – und hochmotiviertem Defensivspiel konnten sich der VCJ einen guten Start mit etwas Vorsprung herausspielen. Etwas irritiert aber entschlossen kämpften sich daraufhin die Tröbnitzer zurück ins Spiel, sodass das Spitzenspiel im ersten Satz mit dem knappsten aller möglichen Punktestände für den VCJ ausging. Doch im zweiten Satz schöpften die Tröbnitzer ihr volles Potenzial aus und machten deutlich, warum sie zu den Favoriten dieser Spielklasse zählen. In dem akustischen Wirrwarr aus rhythmischen Anfeuerungsrufen, unregelmäßigen aber sachdienlichen Schiedsrichterpfiffen und lautstarken Anweisungen der Mitspieler war das Spiel der Heimmannschaft genauso beflügelt wie jenes der Gäste gehemmt. Bei den einen klappte auf einmal alles und bei den anderen nichts mehr. Eventuell auch aufgrund des anstrengenden ersten Satzes war der Block der Jenaer ab und an zu spät und die Effektivität der eigenen Angriffe nun abhandengekommen. Daher erzwangen die starken Tröbnitzer recht deutlich den Satzausgleich – auch, wie ein Zuschauer treffend urteilte, weil der VCJ sich in diesem Satz selbst geschlagen hatte. Im dritten Satz zurück auf der vermeintlichen Gewinnerseite setzte sich aber, dem Aberglauben widersprechend, die Dominanz der Gastgeber fort. Trotz eines personellen Wechsels fehlte den Jenaern die geistige und physische Frische, um sich einerseits auf das schnelle und variantenreiche Angriffsspiel der Gegner einzustellen und andererseits in schwierigen Situationen schnell eine einfache Lösung zu finden, um nicht den Gegner zu weit davonziehen zu lassen. Verdient holte sich Tröbnitz die 2:1 Satzführung und sah, aufgrund von Körpersprache und Spielverlauf, bereits wie der sichere Sieger aus. Mit dem festen Willen eines Kindes vorm Süßigkeitenregal schworen sich die Zurückliegenden ein, wenigsten einen Punkt mitnehmen zu wollen. Dank einiger taktischen Verbesserungen, z.B. Anweisung auf spielerspezifische Angaben, steigerten sich die Spieler des VCJ wie geplant und erzwangen einen fünften Entscheidungssatz. Ganz bewusst möchte ich hier niemanden der Jungs in Grün hervorheben, da dieser zu diesem Zeitpunkt bereits gewonnene Punkt aus einer ganz starken, geschlossenen Mannschaftsleistung resultierte. Der Entscheidungssatz begann zwar verheißungsvoll, doch Tröbnitz zeigte sich stabiler und entschlossener, sodass sie beim obligatorischen Seitenwechsel bereits doppelt so viele Punkte hatten wie der VC. Auch der Geistesblitz von Anna M. aus J., die mit ihrem kleinen roten Roller auf die Feldseite der Tröbnitzer sauste – oder besser: flitzte –, um die Jenaer zusätzlich zu motivieren, verpuffte und brachte keine Änderung am vorentschiedenen Satzausgang. Nach beiderseitigem Einvernehmen wurde resümiert, dass dieses Spiel auf Augenhöhe sowohl den Tröbnitzern als auch den Jenaern enorm viel Spaß bereitete und die Vorfreude auf diese Partie gerechtfertigt gewesen war. Von unserer Seite bleibt nun noch dem verdienten Sieger zu gratulieren, der dem VCJ eine Erfahrung beschert hat, die er seit Jahren nicht mehr erleben musste. Denn diese Niederlage ist erst die zweite der Mannschaft, die unter dem Namen VC Jena 08 spielt.
Dem aufmerksamen Leser dürften die strukturanalogen Merkmale zwischen dem WM-Finale dort und dem Spitzenspiel der Landesklasse Ost hier deutlich geworden sein. Aber, und dies ist ein großer Vorzug, den die Landesklasse vor der Weltmeisterschaft hat, es gibt ein Rückspiel.

PSV Zeulenroda vs. VC Jena – 0 : 3 (13:25, 20:25, 7:25)

Die dritte Partie des Tages war keineswegs eine Blaupause der zweiten, sondern eher eine der ersten. Aufgrund vieler personeller Wechsel stand eine frischere, aber dafür nicht sonderlich angespannte Mannschaft auf dem Feld. Um aber den Spielbericht nicht unnötig in die Länge zu ziehen, verweise ich auf die obigen Zahlen, die für sich sprechen.

Zu guter Letzt die Lehren des Spieltags: Erstens: Zur ostthüringischen Meisterschaft geht der Weg wohl nur über Tröbnitz oder den VCJ. Enge Spiele auf Augenhöhe machen zweitens ungemein viel Spaß, da diese wohl die ehrlichsten Spiele einer Leistungsklasse sind. Und drittens gibt es manchmal eben auch einen Hauch von WM-Finale, nicht nur in WM-Ländern wie Brasilien, in dessen Großstadt Rio das Maracana den würdigen Rahmen bietet, sondern auch in kleinen Grundschulen, die in kleinen Dörfern stehen, welche in kleinen Bundesländern liegen.