Weimar ist hauptsächlich für seine kulturellen Ereignisse und Sehenswürdigkeiten bekannt. Viele besuchen die Stadt zwischen Erfurt und Jena, um auf den Spuren der Romantiker Goethe und Schiller zu wandeln, um etwas über die Bauhausarchitektur um Walter Gropius zu erfahren oder um sich in der Gedenkstätte Buchenwald mahnend zu erinnern. Bei so vielen anspruchsvollen Alternativen seine Freizeit zu verbringen, fällt dem Sport in Weimar eher eine duckmäuserische Nebenrolle zu. Doch am vergangenen Samstag riss es beim Spiel des VC Jena 08 sogar den Linienrichter buchstäblich vom Hocker. Wodurch diese überraschende Reaktion hervorgerufen wurde – ob es an der imposanten Spielweise oder am mitreißenden Spannungsbogen lag –, dass lest ihr in den folgenden Zeilen.

Zuerst traten die Spieler des VC Jena 08 als Schiedsgericht bei der sich hinziehenden, aber durchaus spannenden Partie zwischen dem SSV Weimar III und Fortuna Pößneck in Erscheinung. Die verspätet angereisten Pößnecker holten quasi ihr Versäumnis schnell mit der 2:0 Satzführung auf. Mit diesem Vorsprung im Rücken wurden die jungen Volleyballer allerdings von den routinierten Weimarern noch eingeholt und mit 3:2 besiegt. Dabei war die Leistung vom Schiedsgericht, um Hauptschiedsrichter Malinowski tadellos und dem Spielfluss von fünf Sätzen angemessen unauffällig. Die Möglichkeit die beiden zu bespielenden Gegner zu beobachten und die Tatsache, dass beide sich in fünf Sätzen nichts schenkten, sollte für den noch VCJ wertvoll werden, der seine beiden Spiele ohne Bust, Gebhardt, Giesecke und Möller bestreiten musste.

SSV Weimar III vs. VC Jena – 1 : 3 (17:25, 25:23, 8:25, 23:25)

Der überraschende, aber verdiente Sieg gegen Pößneck motivierte die erfahrenen Spieler von Weimar III zusätzlich, welche im Alter zwischen Mitte Dreißig und „etwas darüber“ waren. Bei einem nervösen Beginn mit vielen Fehlern auf beiden Seiten, verteilten sich die Punkte hüben wie drüben gleichmäßig. Aber vor allem eine sensationelle Aufgabenserie machte im ersten Satz den Unterschied aus. Zuerst wuchs Heinze mit seinen unnachahmlichen Sprungangaben über sich hinaus und anschließend wuchs der Vorsprung auf der Ergebnistafel für den VCJ. Im zweiten Satz demonstrierten die Weimarer wie man mit allen Wassern gewaschen und sehr viel Spielerfahrung auch in ihrem bereits siebenten Satz des Tages einen Satz gegen wesentlich agilere Gegner gewinnen kann. Doch im anschließenden Satz mussten sie dennoch dem hohen körperlichen Aufwand Tribut zollen und kamen lediglich zu acht Punkten; aber nur um effizient und clever im vierten Satz wieder unnachgiebig um die Punkte zu kämpfen. Es ist immer ein Balanceakt, bei dem manchen Spielern eine Regenerationspause gegönnt wird und andere Spieler unmittelbar ins Geschehen geworfen werden. Daher kam nach einigen personellen Wechseln der Spielfluss beim VCJ etwas ins Stottern. In Kombination mit den nimmermüden Weimarern, welche kurz vor Satzende mit vier Punkten führten, erlebten die Zuschauer ein aufreibendes Finale des Spiels. Trainer Jahn nahm im gesamten Spiel, aber besonders im vierten Satz sinnvolle Auszeiten, gab hilfreiche Tipps und stellte z.B. Kretzschmar auf die Position des Diagonalangreifers um, womit ein möglicher Punktverlust abgewendet werden konnte. Ohne Frage war diese erste Partie des VCJ spannend und wenn es jemanden vom Hocker riss, dann nur metaphorisch.

SV Fortuna Pößneck vs. VC Jena – 0 : 3 (20:25, 23:25, 18:25)

Ein breiter Kader ist an solchen Spieltagen, bei denen man von 12:30 Uhr bis 19:30 Uhr in der Halle ist, ein entscheidendes Erfolgskriterium. Ein anderes ist der gut bestückte Proviantkorb von Mannschaftsbetreuerin Greuel, der mit Bananen und Mineralwasser bestückt, aufkommende Verschleißerscheinungen alsbald wegspült. Von Jahn gut ein- und neu zusammengestellt wurde der Pößnecker Hauptangreifer nahezu völlig aus dem Spiel genommen, welcher tendenziell entnervt in dieser Partie keinen Spaß mehr verstand (gern gibt dazu Zuspieler Pöppel und Fan Leißner Auskunft). Mit überragender Blockarbeit vernichteten Pöppel und Kintzel ein ums andere Mal die Angriffsbemühungen der als Tabellenführer angetretenen Pößnecker. Durch intelligente Angaben und einen gefällig aufspielenden Höpfner konnten alle drei Sätze letztlich ungefährdet gewonnen werden. Folgende Formel ergab sichere Punkte: Höpfner nimmt gekonnt an, Pöppel setzt den Jenaer Routinier gekonnt ein und mit einem Stöhnen angekündigt macht dieser gekonnt einen Punkt. Im Vergleich zum ersten Spiel kamen die Jenaer mit ihrem Gegner wesentlich besser zurecht und machten schnell deutlich, dass sie nichts zu verschenken hätten. Doch während des zweiten Satzes passierte folgendes:
Denn weder die anfeuernden Spieler und Fans noch Höpfners aufseufzender Ausruf waren das auffälligste Geräusch.
Mit einem sanften Plumps ist der Linienrichter plötzlich mir nichts dir nichts vom Hocker gefallen. Seinem Gesichtsausdruck zufolge hatte er vermutlich entweder die vorhergehenden Spiele vor seinem inneren Auge Revue passieren lassen oder eventuell das Ergebnis vom an diesem Tag in Gelsenkirchen stattfindenden Revierderby in seinem Handy nachgelesen (reine Spekulation meinerseits). Unterm Strich trug dieser Schmunzler, die schicken, neuen Kapuzen-Pullover und das gemeinsame Austrinken des Mannschaftsbierkastens nach den erfolgreichen Spielen zu einem zufriedenen Ausflug nach Weimar bei – auch ohne kulturelle, aber mit ganz vielen sportlichen Höhepunkten.

Zu guter Letzt die Lehren des Spieltags: Erstens sind Lachs-Gurken Sandwiches bei der Mannschaft beliebter als Schinken-Mozzarella Sandwiches. Man darf, zweitens, erst dann das Spielfeld betreten, wenn der Schiedsrichter gepfiffen hat. Und drittens hilft gegen verschwitzte Hände beim Zuspiel oder feuchte Unterarme bei der Annahme ein kleines Handtuch, welches man sich praktischerweise in den Hosenbund stecken kann.